Immer wieder wird in der Bevölkerung dann kritisch über Streikaktionen diskutiert, wenn diese Einfluss auf den „normalen“ Alltag haben.
Dabei sollte man grundsätzlich darauf schauen, warum es zu einem Streik kommt und was damit erreicht werden soll. Meist sind die Ergebnisse von Verhandlungen, in denen auch das letzte Mittel des Streiks genutzt wurde, für die gesamte Gesellschaft von Vorteil. Streik ist das letzte Mittel um Forderungen beim Verhandlungspartner durchzusetzen. Erst wenn die Verhandlungen (meistens drei Termine) gescheitert sind, kann die Tarifpartei der Arbeitnehmerschaft überhaupt zu einem Streik aufrufen.
Streik ist ein Mittel, um höheres Entgelt, Beteiligung am wirtschaftlichen Reichtum, vor allem aber auch sozialen Fortschritt durchzusetzen. Ohne das Streikrecht wären Tarifverhandlungen lediglich kollektives Betteln.
Wer aber von den Einschränkungen durch einen Streik betroffen ist, vergisst gerne, was Gewerkschaften und ihre Mitglieder für das gesellschaftliche Leben in der Vergangenheit und auch in der Gegenwart erreichen und erreicht haben.
Durch Streiks erreichte Erfolge sind für jeden einzelnen in unserer Gesellschaft von Vorteil!
Höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und mehr Tarifverträge bedeuten mehr Kaufkraft und damit Steigerung der wirtschaftlichen Finanzkraft.
Höhere Löhne bedeuten mehr Geld in der Sozialversicherung und damit mehr soziale Sicherheit.
Höhere Löhne bedeuten auch mehr Steuereinnahmen für den Staat und damit mehr staatliche Investitionen und weniger Schulden.
Höhere Löhne sichern den sogenannten Mittelstand und schaffen sozialen Frieden, da die Schere zwischen „Arm“ und „Reich“ nicht immer weiter zunimmt.
Ohne Arbeitskämpfe und die damit verbundenen Streiks hätten wir bis heute keine Gleichstellung von Arbeiterinnen und Angestellten. Wir hätten
- keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall,
- kein Urlaubsgeld,
- keinen Mutterschutz, keinen Jugendschutz,
- keinen tariflich geregelten Urlaubsanspruch und auch kein Urlaubsgeld,
- keinen Kündigungsschutz
Auch eine fünf- Tage- Woche wurde von Gewerkschaften und begleitenden Streiks durchgesetzt.
Im internationalen Vergleich streikten Beschäftigte in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten vergleichsweise wenig.
Zwischen 2012 und 2021 fielen durch Streikmaßnahmen pro 1.000 Beschäftigte im Schnitt pro Jahr 18 Arbeitstage aus – in Belgien waren es mit 96 die meisten. Auch in zahlreichen anderen Staaten wie Frankreich (92), Kanada (78) oder Dänemark (53) wurde weit mehr gestreikt.
Das wird sehr gerne bei der öffentlichen Meinungsbildung bei Streikereignissen vergessen.
Der Arbeitskampf ist und bleibt jedoch ein starkes Mittel bei den Verhandlungen mit der Arbeitgeberseite.
Hinterlegt sind das Streikrecht und die sog. Tarifautonomie im Grundgesetz. Das ist sehr wichtig, denn immer wenn ein Streik großen Druck auf die Arbeitgeber ausübt, kommen Fragen wie: „Muss der Staat da nicht eingreifen und einen Streik stoppen“? oder „Darf überhaupt in systemrelevanten Bereichen gestreikt werden“? Diese Fragen und auch die häufig laut werdenden politischen Kommentare dienen dabei nur einem Zweck: die Rechte der Arbeitnehmerinnen und der Gewerkschaften einzuschränken.
Als Gewerkschafterin kann ich nur immer wieder betonen: Wir leben in einem Sozialstaat, der geschützt werden muss, und alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen, insbesondere in der jetzigen Zeit, wissen: Wir bekommen nichts geschenkt! Löhne, Einkommen und soziale Standards müssen immer wieder neu geschützt, erkämpft und durchgesetzt werden.
Das gilt aktuell besonders für die paritätische Finanzierung der Kranken- und Rentenversicherung, gegen das Abschmelzen von Sozialleistungen, für eine sichere Daseinsvorsorge und für den Schutz von Arbeitsplätzen durch die fortschreitende Digitalisierung.
Der Sozialstaat wird immer nur so stark sein, wie die Menschen, die sich für ihn engagieren.
Wer das vergisst, wird bald keinen Sozialstaat mehr haben!