Wir fordern gesunde Krankenhäuser in NRW – für ALLE!
– patientenorientiert, barrierefrei und selbsthilfefreundlich
Wir fordern, dass die Gesundheitsversorgung an den Bedarfen der Patient*innen und an guter Qualität orientiert werden muss. Gesundheitsversorgung ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge!
Krankenhäuser sind Orte der Daseinsvorsorge für die gesamte Bevölkerung. Notwendige medizinische Versorgung muss daher für alle Patient*innen in guter Qualität zur Verfügung stehen. Wir treten ein für eine bedarfsgerechte Versorgung, die qualitativ hochwertig, ortsnah und unabhängig vom gesellschaftlichen und finanziellen Status der Patient*innen realisiert wird. Das medizinische und pflegerische Handeln muss an ethischen Prinzipen orientiert und auf das individuelle Patient*innenwohl ausgerichtet sein. Es sollen ausschließlich medizinisch und pflegerisch sinnvolle, wirksame und möglichst ungefährliche und risikoarme Methoden und Interventionen angewendet werden.
Die Qualität der medizinischen Versorgung muss extern überprüft und am Nutzen für die Patient*innen ausgerichtet werden. Zur Vermeidung von Routinefehlern muss in jeder Abteilung ein „Beinahe-Fehlermanagement“ (CIRS) eingerichtet und aktiv genutzt werden. Es ist Aufgabe der Abteilungsleitung, für ein fehlervermeidendes und kommunikatives Arbeitsklima zu sorgen. Wir fordern verpflichtend für jedes Krankenhaus Fachkräfte für Arzneimitteltherapiesicherheit, Hygiene-, Beschwerde- und Qualitätsmanagement mit entsprechender Kompetenz und Arbeitszeit.
Krankenhäuser und andere Einrichtungen der Gesundheitsversorgung müssen für alle Patient*innen und Besuchende barrierefrei auffindbar, zugänglich und nutzbar sein. Barrierefreiheit muss in diesem Sinne als Grundvoraussetzung für zukunftsfähige Krankenhäuser bei Planung und praktischer Arbeit immer mitgedacht werden.
Das Personal soll kommunikativ gut ausgebildet sein und es muss gewährleistet sein, dass Patient*innen eine verständliche Aufklärung unter Berücksichtigung ihrer individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten erfahren. Das ist die Grundlage dafür, dass Patient*innen auf Augenhöhe an den Entscheidungen teilhaben, mitarbeiten und einwilligen können. So ist gewährleistet, dass Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen im Sinne der Patient*innen umgesetzt werden. Patient*innen, Angehörige und Zugehörige haben ein Bedürfnis nach Besuch und Unterstützung. Geeignete Maßnahmen müssen diesem Bedürfnis Rechnung werden.
Alle Krankenhäuser sollen die Selbsthilfe der Patient*innen und die Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen fördern. Beispielhaft wird das anerkannte und erprobte Modell “Selbsthilfefreundliches Krankenhaus” empfohlen. Ärztliches und pflegerisches Handeln soll durch das Erfahrungswissen der Selbsthilfe erweitert und der Kontakt zwischen Patient*innen und Selbsthilfegruppen gefördert werden. Das Krankenhaus informiert aktiv rund um das Thema Selbsthilfe, stellt Räumlichkeiten für Gruppentreffen zur Verfügung und bildet das ärztliche und pflegerische Personal regelmäßig zu Themen der Selbsthilfe fort. Das Krankenhaus hat eine*n Selbsthilfebeauftragte/n und ermöglicht Selbsthilfegruppen die Mitwirkung an Qualitätszirkeln, Ethik-Kommission u. ä.
– wohnortnah und bedarfsorientiert geplant für alle in NRW
Wir fordern eine intensive Analyse und ausreichend Zeit, um den neuen Krankenhausplan NRW zu erstellen – unter breiter Beteiligung aller Betroffenen. Vorher darf es keine Umsetzungsschritte oder Vorfestlegungen geben, wie sie z.B. "Gutachten zur Krankenhauslandschaft NRW” aus dem Hause Laumann nahelegt. Wir fordern den Erhalt aller Kliniken, solange eine solche Analyse nicht vorliegt.
Gesundheit beginnt da, wo Menschen Leben: in Vierteln und Stadtteilen. Hier leben die Expert*innen, die wir brauchen, um eine umfassende Gesundheitsversorgung vor Ort sicherzustellen. Diese Expert*innen sind wir alle, denn wir wissen, was wir brauchen, um gesund zu werden und gesund zu bleiben. Fragen nach Gesundheit und Versorgung sind stets auch Fragen von Demokratie, Macht und Milieu.
Gesundheitsversorgung kann nicht allein auf Grundlage statistischer Daten zur Häufigkeit bestimmter Diagnosen geplant werden. Fallpauschalen führen zur Unterscheidung zwischen lukrativen und weniger gewinnbringenden Erkrankungen. So ist die Diagnose „Lungenentzündung“ lukrativer als die Diagnose „Bronchitis“. Die Häufigkeit von Diagnosen reicht lang nicht aus, um Gesundheitsversorgung vor Ort zu planen. Zudem geht es um noch viel mehr: Prävention, Möglichkeiten zur Selbstfürsorge und nicht zuletzt saubere Luft und andere Umweltbedingungen gehören mit dazu. Und kein Viertel ist wie das andere.
Dieser Diskussion müssen sich die Verantwortlichen in den Bezirksvertretungen, Stadträten und Landtagen stellen, wenn sie Gesundheitsversorgung nachhaltig auf feste Säulen stellen wollen. Erst Krankenhäuser zu schließen und dann eine Debatte zu beginnen, wird dazu führen, dass es noch mehr Viertel in NRW geben wird, in denen die Gesundheitsversorgung nicht mehr sichergestellt werden kann. Denn gerade dort, wo Menschen mit wenig Geld leben, ist das Krankenhaus vor Ort oft die einzige Anlaufstelle, wenn Menschen Hilfe brauchen. Es fehlt an Apotheken, Haus- und Kinderärzt*innen, an ambulanten Diensten und Beratungsstellen.
Wir brauchen demokratische Verfahren und Prozesse vor Ort, um Strukturvorschläge zu entwickeln. Darin eingehen muss die Expertise der Menschen vor Ort – von Apotheker*innen, Grundschullehrer*innen und Erzieher*innen, von Kinderärztinnen und Hörgeräteakustikern, Menschen aus ambulanten Diensten und Beratungsstellen, von Kirchengemeinden und anderen Orte, an denen Menschen Unterstützung bekommen, um gesund zu werden und gesund zu bleiben. Auch mögliche, künftige Patient*innen sind gefragt, ebenso wie alle, die Assistenz benötigen oder für andere Sorgeverantwortung tragen und z.B. Angehörige zuhause pflegen. Ohne einen solchen Prozess wird jede Krankenhausschließung dazu führen, dass mehr Menschen krank werden und krank bleiben – und dass Versorgung immer stärker davon abhängt, wo jemand wohnt und was er verdient.
– vollfinanziert durch das Land NRW
Wir fordern ab sofort die vollständige Refinanzierung der Investitionskosten durch das Land NRW und ein Sonderprogramm zur Behebung des Investitionsstaus von aktuell über 12,5 Mrd. € bis 2024. Krankenhausgebäude und deren Ausstattung zu erhalten und zu modernisieren, ist gesetzlich geregelte Aufgabe des Landes NRW!
Notwendig wäre eine Verstetigung des jährlichen Investitionsvolumens auf 1,5 Mrd. Euro und die Finanzierung realer Bedarfe im Baubereich sowie die Anschaffung einer hochwertigen technischen Ausstattung, wozu die Aufgabe der Pauschalfinanzierung und Wiedereinführung der Einzelförderung erforderlich wären. Zudem erfordert eine umfassende Entlastung der Krankenhäuser den Abbau des Investitionsstaus. Hierzu schlagen wir die Einrichtung eines über mehrere Jahre laufenden Investitionsfonds vor, aus dem gezielt erforderliche Investitionen finanziert werden.
– mit guten Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten
Wir fordern mehr Personal in den Krankenhäusern und eine gesetzliche Personalbemessung, die eine gute Versorgung für alle sicherstellt! Ausdrücklich beziehen wir uns dabei auf alle Berufsgruppen, auch über die Pflege hinaus.
An den Kliniken herrscht seit Jahren in allen Bereichen ein massiver Personalmangel: In der Pflege und anderen medizinischen Bereichen wie in der Küche, bei der Reinigung und anderen sogenannten Service-Bereichen.
Um Kosten zu sparen, werden insbesondere Wäschereibetriebe, Reinigungsdienste und Küche ausgelagert (outgesourct), aber auch Labore, Logopädie und Pathologie und einige andere Funktionsbereiche bieten sich dafür an. Für die Beschäftigten bedeutet dies in der Regel weniger Lohn, mitunter fehlende Tarifverträge und wachsender Druck, immer mehr Arbeit in kürzerer Zeit zu verrichten. Die Belegschaften werden dadurch gespalten. Seit Jahren müssen Reinigungskräfte immer größere Flächen in immer kürzerer Zeit reinigen. Die Folgen bekommen auch Patient*innen Tag für Tag zu spüren: Schätzungen zufolge versterben jährlich 10.000- 20.000 Menschen an sogenannten Krankenhauskeimen. Der sogenannte Fachkräftemangel hat viele Gründe: Die Arbeitsbedingungen gehören dazu. Die Verweildauer im Beruf sinkt, Auszubildende treten den Beruf gar nicht erst an, ein Großteil der Pflegekräfte arbeitet in Teilzeit, viele brennen aus.
Applaus genügt nicht. Wir brauchen keine “Held*innen”, die “trotz Erschöpfung immer weiter durchhalten”, sondern gute Arbeitsbedingungen für alle!
Eine Aufwertung des Berufsfeldes, spürbare Entlastung, z.B. auch über eine Reduzierung der Arbeitszeit, eine dem Bedarf entsprechende gesetzliche Personalbemessung in allen Bereichen sind das Gebot der Stunde, damit Beschäftigte wieder kommen oder bleiben. Untergrenzen, zudem auch nur für ausgewählte Bereiche, greifen zu kurz. Sie schreiben den schlechten Zustand fest oder verleiten dazu, Personal lediglich von einer Station auf die andere umzuschichten.
Die Zeit ist reif und die Chancen waren in den letzten 20 Jahren noch nie so groß, eine sachgerechte Personalbemessung tatsächlich einzuführen. Die Tatsache, dass die Pflegepersonalkosten jetzt in einem individuellen Budget vereinbart werden und nicht mehr den DRG unterliegen, zwingt eigentlich zur Einführung der Personalbemessung.
– ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitswesen – ohne Profite!
Wir fordern die Landesregierung als ersten Schritt dazu auf, sich über eine Bundesratsinitiative dafür einzusetzen, die Fallpauschalen (DRG) abzuschaffen und Profite wieder zu verbieten.
Jahr für Jahr erzielen private Klinik-Konzerne und ihre Anteilseigner enorme Profite. Allein in 2018 strichen Helios, Asklepios, Sana und Rhön Klinikum rund 1 Milliarde Gewinne ein. Sie werden erwirtschaftet auf Kosten von Patient*innen, Angehörigen und Beschäftigten. Eine gute Gesundheitsversorgung braucht Kooperation statt Konkurrenz. Gesundheit darf keine Ware sein.
Die deutsche Krankenhauslandschaft wurde in den letzten Jahrzehnten zu einem Sektor des Gesundheitsmarktes umgebaut. Die kostendeckende Finanzierung, das Selbstkostendeckungsprinzip, wurde abgeschafft und ideologisch und politisch Schritt für Schritt in Frage gestellt. »Mehr ökonomischer Wettbewerb, mehr Markt!« sollten die Lösung sein für alle medizinischen, pflegerischen und politischen Probleme. Versprochen wurde in diesem Zusammenhang auch eine Senkung der Krankenhausausgaben. Das Instrument dafür war die Einführung eines neuen Abrechnungssystems ab 2003/04: Die diagnosebezogenen Fallpauschalen (engl. Diagnosis Related Groups, DRG). Damit wurde die Krankenhausfinanzierung tiefgreifend verändert. Entscheidungen über Behandlungen und Dauer des Krankenhausaufenthaltes
werden nicht mehr allein nach medizinischen Kriterien getroffen, sondern immer deutlicher danach, was sich gewinnbringend abrechnen lässt.
Damit wurde politisch bewusst die Tür geöffnet für private Konzerne und entsprechend für Profitmacherei. Im konkurrenzgetriebenen DRG-Preissystem müssen heute selbst gemeinnützige und öffentliche Krankenhäuser auf dem „Markt agieren“, als ob sie Unternehmen wären.