Bereits vor 1 Jahr, als Karl Lauterbach noch Gesundheitsminister war, berichtete die Zeitschrift der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) „Das Krankenhaus“, der Minister wolle „die Krankenhäuser in Deutschland kriegstüchtig“ machen.

„Es braucht auch eine Zeitenwende für das Gesundheitswesen. Zumal Deutschland im Bündnisfall zur Drehscheibe bei der Versorgung von Verletzten und Verwundeten auch aus anderen Ländern werden könnte“, argumentierte Lauterbach. Das Gesundheitsministerium habe sich bereits mit Spezialisten der Bundeswehr ausgetauscht und arbeite mit dem Verteidigungs- und dem Innenministerium zusammen. (Das Krankenhaus, 26. April 2024)

Diese Zusammenarbeit scheint inzwischen völlig aus dem Ruder zu laufen:

Der Berliner „Tagesspiegel“ zitiert ein Schreiben, mit dem drei führende Mediziner der Stadt die neue Bundesregierung begrüßten: Axel Ekkernkamp, der den Wehrmedizinischen Beirat des Verteidigungsministers Pistorius angehört und Berlins Unfallkrankenhaus leitet, Charité-Infektiologe Leif Erik Sander, der im Expertenrat „Gesundheit und Resilienz“ das Kanzleramt berät, sowie Daniel Dettling vom Gesundheitsstadt-Netzwerk.

„Einige der 1800 Krankenhäuser des Landes sollten demnach „kriegstauglich“ werden und „einen teilweisen Weiterbetrieb bei einem Angriff durch unterirdischen Bunkerbetrieb, autarke Strom-, Gas- und Trinkwasserversorgung sicherstellen“ können. Konkret gehe es um 100 Krankenhäuser, die heute schon speziell Schwerstverletzte behandeln. Für dort nötige Um- oder Neubauten veranschlagen die Autoren eine Milliarde Euro Kosten pro Standort.“. (Tagesspiegel, 22.04.2025)

100 x 1 Mrd. Euro = 100 Mrd. Euro!

Zum Vergleich: Für die Finanzierung im vorigen Jahr beschlossenen zivilen Umstrukturierung des Krankenhauswesens wurde ein „Transformationsfonds“ in Höhe von 50 Mrd. Euro bis zum Jahr 2035 aufgelegt.

Was soll mit den 100 Mrd. Euro genau geschehen?

Das ZDF berichtet: Geplantes Sondervermögen macht Hoffnung

“Auf das Beste hoffen, auf das Schlimmste vorbereitet sein”, fasst Generalleutnant André Bodemann, Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr, zusammen. Zugleich gibt es Hoffnung angesichts des geplanten Sondervermögens: Man brauche Milliarden für Ausstattung und Warnsysteme, etwa für Sirenen.

Generalleutnant André Bodemann: Menschen stark und handlungsfähig machen

Wichtig sei zudem die mentale Vorbereitung der Gesellschaft auf die neue Realität … Menschen stark und handlungsfähig zu machen im Fall von Krieg und Krise. (ZDF, 06.03.2025)

100 Mrd. Euro für die Verbunkerung von OPs, Intensivstationen und Ambulanzen, für Sirenen und für die Umerziehung der Krankenhausbeschäftigten – damit wir endlich stark und handlungsfähig werden!

Wie war es eigentlich früher?

Im Kalten Krieg lehnte die Bundeswehr über Jahrzehnte eine enge Verzahnung mit dem zivilen Krankenhauswesen ab. Sie unterhielt 13 Bundeswehrkrankenhäuser und mehr als 100 Lazarette, in denen ca. 800.000 Menschen behandelt werden konnten. Inzwischen gibt es noch 5 Bundeswehrkrankenhäuser. Sie kooperieren in Forschung, Lehre und Therapie mit den Unikliniken Ulm, Mainz, Hamburg und Berlin (Charité). Im Jahr 2024 behandelten sie in 1.685 Betten 55.456 Patienten stationär und 456.290 ambulant und waren damit zu etwa zwei Dritteln ausgelastet. Bei Vollauslastung könnten sie also mehr als 80.000 Menschen stationär und fast 700.000 ambulant behandeln.

Welchen Krieg haben diejenigen vor Augen, die meinen, dass zusätzlich 1.700 zivile Krankenhäuser dem Kommando der Bundeswehr unterstellt werden müssten?

Bereits im Juni 2024 wurde die „Rahmenrichtlinie zur Gesamtverteidigung“ vom Bundeskabinett neu verfasst, welche den „Operationsplan Deutschland“ beinhaltet und nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit am 1. Januar 2025 in Kraft getreten ist– ein tausendseitiger Strategieplan, erarbeitet unter der Federführung der Bundeswehr. Er legt die verpflichtenden zivilen Unterstützungsleistungen für das Militär im Fall der Landes- und Bündnisverteidigung fest. Die Details unterliegen der Geheimhaltung.

Zusätzlich liegt ein bereits vom ehemaligen Minister Lauterbach vorbereitetes Gesundheitssicherstellungsgesetz im Bundesministerium für Gesundheit. Es soll die umfassende Vernetzung ziviler und militärischer Akteure unter der Federführung des Militärs regeln. Alle Sicherstellungsgesetze, die mit Grundrechtseinschränkungen der Bevölkerung einhergehen, können erst nach Feststellung des Spannungs- oder Verteidigungsfalles „entsperrt“ werden.  Dazu benötigt man eine 2/3 Mehrheit im Bundestag.

1981 plante schon einmal eine Bundesregierung ein Gesundheitssicherstellungsgesetz, das nach heftigen Protesten aus der Ärzteschaft und der gesamten Gesellschaft zurückgezogen wurde. Denn auch seinerzeit sollten die medizinischen Entscheidungen zu Patientenversorgung der militärischen Entscheidungsgewalt unterstellt werden.

Es ist jedoch kein vermeintlich neutrales, humanistisches Handeln, wenn wir unsere Gesundheitsversorgung im Sinne einer „zivil-militärischen Zusammenarbeit“ mit der Bundeswehr verzahnen und unter militärische Kontrolle bringen lassen. Es muss heute und zukünftig  klargestellt werden, dass die Entscheidungen zur Versorgung von Erkrankten ausschließlich nach medizinischen Kriterien getroffen werden müssen.

Wir stehen für ein Gesundheitswesen, das gute Versorgung in „normalen Zeiten“ sicherstellt.

Das dadurch krisenfest und handlungsfähig ist, weil den Bürgerinnen und Bürgern zu jeder Zeit alle medizinisch notwendigen Ressourcen zu Verfügung stehen.

Nur so können wir – auch im Falle von Naturkatastrophen und Pandemien – sicherstellen, dass alle Menschen gut versorgt sind.

Das wiederum macht das Leben in unsere Gesellschaft spürbar sicher, stärkt das Vertrauen und das solidarische Miteinander und dadurch auch unsere Demokratie.

Wir stehen auf dem Standpunkt: Was in Friedenszeiten gut funktioniert, wird auch in Krisen standhalten!

Für den Fall eines Einsatzes von atomaren, biologischen oder chemischen Waffen gilt auch heute noch, was die IPPNW (International Physicians for the Prevention of Nuclear War) bereits 1982 formulierte: „Wir werden Euch nicht helfen können!“

Auch bei einem konventionellen Krieg in Europa unter Nutzung der modernen Massenvernichtungswaffen könnte keine zivil-militärische Vorbereitung das massenhafte Sterben von Zivilist*innen und von Militärangehörigen verhindern. Den an Körper und Seele Verletzten könnten wir keine Heilung versprechen, sondern bestenfalls Reparatur.

Daher muss es absolut unmöglich gemacht werden, dass so ein Fall jemals eintritt.

Als Bündnis für ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitswesen stehen wir für die einzige Prävention ein, die eine sichere Versorgung unserer Gesellschaft – im Krisen- oder Kriegsfall ermöglicht:  Nämlich die Verhütung des Krieges selbst!

Wir, als Bündnis für ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitswesen in NRW, ringen schon seit Jahren darum, unser Gesundheitswesen „resilient“ (friedenstauglich) für die Versorgung aller Bürger*innen zu machen und werden deshalb auch weiter gegen den geplanten Bettenabbau, gegen die geplante Zentralisierung der Krankenhauslandschaft – auf Kosten einer gesicherten Grundversorgung – und gegen die sich immer weiter aufbauende Überlastung bei allen Beschäftigten im Gesundheitswesen einstehen.

Wir, das Bündnis für ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitswesen in NRW, werden uns weiterhin für ein friedenstaugliches, gemeinwohlorientiertes Gesundheitswesen einsetzen.

Wir stehen weiterhin für unsere Forderungen ein, welche auch schon vor der sog. Zeitenwende, Bestand hatten.

Unsere Krankenhäuser müssen:

  • patientenorientiert, barrierefrei und selbsthilfe­freundlich sein.
    Wir fordern, dass die Gesundheitsversorgung an den Bedarfen der Patient*innen und an guter Qualität orientiert werden muss. Gesundheitsversorgung ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge!
  • wohnortnah und bedarfsorientiert sein.
    Wir fordern den Erhalt aller Kliniken, solange eine sichere und zeitnahe Grundversorgung für alle Bürger dieses Landes nicht sichergestellt ist.
  • vollfinanziert durch das Land NRW werden.
    Wir fordern ab sofort die vollständige Refinanzierung aller erforderlichen Investitionskosten durch das Land NRW und ein Sonderprogramm zur Behebung des Investitions­staus von aktuell über 12,5 Mrd. € bis 2024. Kranken­hausgebäude und deren Ausstattung zu erhalten und zu modernisieren, ist gesetzlich geregelte Aufgabe des Landes NRW!
  • gute Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten sicherstellen.
    Wir fordern mehr Personal in den Krankenhäusern und eine gesetzliche Personalbemessung, die eine gute Versorgung für alle sicherstellt! Ausdrücklich beziehen wir uns dabei auf alle Berufsgruppen, auch über die Pflege hinaus.
  • gemeinwohlorientiert sein – ohne Profite zu generieren!
    Wir fordern die Landesregierung als ersten Schritt dazu auf, sich über eine Bundesratsinitiative dafür einzusetzen, die Fallpauschalen (DRG) abzuschaffen und Profite wieder zu verbieten. Profite pflegen keine Menschen. Gesundheit darf keine Ware sein!

Wenn einerseits die Krankenhausreformen weiter so umgesetzt werden, wie es aktuell gewollt ist, wird es viel Geld und Zeit kosten und am Ende wird ein Versorgungsmangel für die Bevölkerung stehen.

Anderseits kann bereits heute festgestellt werden, wer in Friedenszeiten die Versorgung seiner Bevölkerung nicht sicherstellen kann, der wird es im Katastrophenfall erst recht nicht schaffen.