Ein Beschäftigter in der Entgeltgruppe 8, Stufe 3 mit Steuerklasse 1 hat ca 47.000 Euro im Jahr brutto, der Arbeitgeberanteil an den Personalkosten beträgt ca 15.000 Euro. Der Gesamtlohn beträgt somit 62.000 Euro. 6.000 Euro gehen als Steuer ab, 11.000 als Sozialabgaben vom Bruttogehalt und 15.000 werden direkt vom Arbeitgeber gezahlt.

Die “Lohntüte” des Beschäftigten besteht daher aus 3 Teilen:

  • Lohntüte 1 ist der ausbezahlte Nettolohn von 30.000 Euro
  • Lohntüte 2 sind die Sozialabgaben von insgesamt 26.000 Euro (Arbeitgeberanteil + Arbeitnehmeranteil)
  • Lohntüte 3 sind die Steuern in Höhe von 6.000 Euro.

Mehr als die Hälfte eures Lohnes geht daher in “Gemeinschaftsaufgaben”, entweder direkt (Lohntüte 2) oder indirekt (Lohntüte 3).

Mal abgesehen davon, dass die Arbeitgebervereinigungen gerne die Sozialabgaben “deckeln” und damit den Gesamtlohn der Beschäftigten senken würden, stellen sich einige Fragen: Was haben wir eigentlich von unseren Abgaben in den gemeinschaftlichen Topf? Und funktioniert die Daseinsvorsorge so, wie wir das erwarten?

  • Ist der gesetzliche Anspruch auf einen guten KiTa-Platz für meine Kinder überall gewährleistet?
  • Sind die Schulen so, dass ich meine Kinder guten Gewissens dorthin schicken kann?
  • Kommt der Bus oder die Bahn und pünktlich?
  • Sind wir nach einem arbeitsreichen Leben in der Rente abgesichert oder brauchen wir Grundsicherung?
  • Ist das Menschenrecht auf eine bezahlbare Wohnung für alle realisiert?
  • Bekomme ich im Krankheitsfall eine wohnortnahe Versorgung? Ist diese angemessen, also nicht zu wenig oder überflüssig? Ist sie auf der Höhe des medizinischen Fortschritts?
  • Bekomme ich einen Pflegeplatz, wenn es anders nicht mehr geht?
  • Sind die Menschen, die sich im Krankheits- oder Pflegefall sich um mich kümmern, dann zugeneigt oder hektisch?

Die Kampagne zur Daseinsvorsorge, die Ver.di NRW am 28.1. gestartet hat, greift diese Fragen auf und will sie im Vorfeld der Kommunal- und Landtagswahlen zusammen mit Sozialverbänden zum allgemeinen Thema machen. Die Gesundheitsversorgung ist Teil der Kampagne.

Das Gesundheitswesen/-system als Teil der Daseinsvorsorge, bei dem wir die Expertinnen und Experten sind, soll nun im Fokus stehen:

Das System “leckt”: Ein Teil der Mittel, die wir von unseren Löhnen an die Krankenkassen geben, wird als Gewinne bei privaten Konzernen ausgeschüttet. Bei kirchlichen Krankenhäusern und auch öffentlichen haben wir auf die Investitionsentscheidungen keinen Einfluss. (Beispiele: Geburtsstationen Eitorf/Johanniter oder Kölner Kliniken)

Unser Geld wird falsch verwendet: Die Fallpauschalen haben im somatischen Bereich zu Unter- und Überversorgung.

Unsere Steuern werden für den Abbau von Krankenhäusern benutzt: Die Krankenhausplanungen in NRW und die Bundesgesetzgebung führen zu einer Zentralisierung von Krankenhäusern und zu einer Ausdünnung in ländlichen Bereichen. Der Bund finanziert mit unserem Geld die Abrißbirne: Der Transformationsfond für die Zentralisierung der Krankenhauslandschaft soll zur Hälfte aus Mitteln der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) finanziert werden.

Personal geht verloren: Dass alle sich einfach von einer Klinik zur anderen “verschieben” lassen, ist einer der Fehlschlüsse der Krankenhausplaner.

Schaffen wir die Gesundheitsreform von unten!

Wir sind die Expert*innen! Gemeinsam mit Sozialverbänden, Patientenvereinigungen, Gesundheitsinitiativen können wir ein Gesundheitssystem einfordern, das auf unsere Bedürfnisse abzielt. Gewinne und Ökonomisierung passen nicht zur medizinischen Versorgung.

Das kann auf der betrieblichen Ebene, zwischen den Beschäftigten der Betriebe in der Region anfangen. Schon einmal waren die Beschäftigten in den Kliniken die Expert*innen, die bedarfsgerechte Personalbesetzungen gefordert und durchgesetzt haben. Sie haben auf ihre eigene Kraft vertraut, die Landesregierung zum Umdenken und Handeln gebracht und nicht auf die Politik gewartet.

Wie die Themen der Daseinsvorsorge in den Streiks zum Thema gemacht werden können, zeigt auch die Aktion “Wir fahren zusammen”, bei der Busfahrer*innen zusammen mit Fridays For Future gemeinsam auftreten und gesellschaftliche Forderungen verbinden: gute Arbeitsbedingungen im ÖPNV, Mobilität für alle und eine ökologische Verkehrswende.

Auch bei VW, BMW oder den Werften wird diskutiert: Was produzieren wir, wie produzieren wir und wofür produzieren wir?

Wenn wir Patient*innen, Selbsthilfeorganisationen oder die Menschen auf der Straße ansprechen, dann sagen wir immer: “Wer gut behandelt werden will, muss dafür sorgen, dass die, die behandeln, gut behandelt werden.” Also habt Verständnis für die Streiks und für die möglichen Unannehmlichkeiten, die für euch damit verbunden sind.

Und ebenso gilt: Wer seine Patient*innen gut behandeln will, muss dafür sorgen, dass die Zustände im Gesundheitswesen so sind, dass gut behandelt werden kann.

In diesem Sinne: Zusammen geht mehr!


Ein Kommentar von Knut Kornau (Mitglied im Gesundheitsbündnis Bonn/Rhein-Sieg und im Bündnis für ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitswesen)