Mit Schreiben vom 31.10.2024 teilte das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS) mit, dass

  1. der Krankenhausplan NRW nicht wie vorgesehen zum 01.01.2025, sondern erst zum 01.04.2025 umgesetzt werden wird.

Durch dieses Schreiben wurde zum ersten Mal sichtbar, dass massive Fehler in der Krankenhausplanung erkannt wurden: Versorgungslücken, Missachtung der Bevölkerungsstruktur, Verschlechterung der Versorgungsqualität durch lange Wege und Wartezeiten, Verschlechterung der Ausbildungsqualität im Ärztlichen Dienst, massive Zunahme der Belastung des Personals in Krankenhaus.

  1. eine, bis dahin kategorisch ausgeschlossene, Übergangsfrist nun doch für bestimmte Leistungsgruppen von 12 Monaten gelten soll.

Auch mit dieser zweiten Korrektur wird klar, dass die im Krankenhausplan hinterlegten hochspeziellen und hochaufwendigen Leistungsgruppen nicht einfach „über Nacht“ verschwinden können. Versorgungsprobleme bei der Bevölkerung wären die Folge. Zudem wären die betroffenen Krankenhäuser ohne eine Anpassungszeit nicht in der Lage, Finanzierungsalternativen sicherzustellen. Im ungünstigsten Fall droht ihnen die Insolvenz.

Korrekturen zu diversen Aberkennungen, nach Widersprüchen von 327 Krankenhäusern in NRW (NRW hat 333 Krankenhäuser).
Bei diversen Aberkennungen von Leistungsgruppen durch das MAGS wurde nun eine Korrektur vorgenommen. Hierfür hat das MAGS drei unterschiedliche Begründungen angegeben:

A. Ein Haus bekommt eine aberkannte Leistungsgruppe mit einer entsprechenden Fallzahl neu zugewiesen, dafür wird diese Fallzahl einem anderen Haus aberkannt.

B. Einem Haus wird eine bereits aberkannte Leistungsgruppe über den prognostizierten Bedarf hinaus zugewiesen.
Bis dato hatte das MAGS immer argumentiert, dass die künftigen Bedarfe sicher berechnet wurden und keine zusätzliche Zuweisung notwendig sei.

C. Krankenhäuser erhalten aberkannte Leistungsgruppen zurück, um die Versorgung sicherzustellen:
Das ist eine Bankrotterklärung für die bisherige Planung!

Wieder zeigt sich, dass die Abkehr von den festgelegten Bescheiden nach den Krankenhauskonferenzen notwendig war, um nicht zu viele Krankenhäuser gleichzeitig vom Netz zu nehmen, wodurch Versorgungslücken entstehen würden. Zudem haben insbesondere die maximalversorgenden Häuser offensichtlich zu viel Druck auf das Ministerium ausgeübt, mit Blick auf Forschung und Lehre und Ausbildungskapazitäten für Medizinstudenten und Weiterbildungsassistenten.

In der Gesamtschau wird die Krankenhausreform in NRW zu den bereits mehrfach kritisierten Problemen führen.

1 Altersmedizin:
In der Geriatrie (LG 27.1) sieht der Krankenhausplan eine Standortreduzierung von 33 Krankenhäusern vor. Das entspricht 18% der aktuellen Versorgungskapazitäten.

Die durch den demografischen Wandel bedingte Zunahme alter, mulimorbider und chronisch erkrankter Patient*innen stellt die medizinische Versorgung im Krankenhaus der Zukunft vor erhebliche Herausforderungen.

Diesen wird der Krankenhausplan weder in den Städten noch in den ländlichen Gebieten gerecht. Eine Krankenhausplanung, die diese prognostischen Gesichtspunkte außer Acht lässt, läuft sehenden Auges in eine Versorgungslücke und provoziert eine Qualitätsverschlechterung von enormem Ausmaß.

2 Endoprothetik:
Die Leistungsgruppen 14.1 bis 14.5 beinhalten den endoprothetischen Versorgungsblock. Unter der Prämisse der Qualitätsverbesserung wurden hier die Versorgungskapazitäten zwischen 36% bis 61% reduziert

3 Visceralmedizin:
Die Leistungsgruppen 16.2 bis 16.4 umfassen sehr große „bauchchirurgische“ Eingriffe, die immer mit einer intensivmedizinischen Nachbetreuung einhergehen. Unter der bereits oben genannten Prämisse der Qualitätsverbesserung wurden hier die Versorgungskapazitäten zwischen 60 bis 68% reduziert.

4 Gynäkologie:
Behandlungen von Tumorleiden der Eierstöcke werden in der Versorgungskapazität gar um 74% reduziert. Das MAGS zentralisiert zahlreiche Leistungen mit der Begründung, sie seien im Wesentlichen planbar. Leider entspricht das nicht der Realität. In der Thoraxchirurgie ist ein erheblicher (mehr als 1/3) Anteil der Operationen durch Traumata (Verletzungen) verursacht, die einer sehr schnellen Versorgung bedürfen. Gleiches gilt für Bauchaortenaneurysmen. Hier geht es um Minuten, wenn das Ereignis plötzlich auftritt. Endoprothesen an Hüften sind in jedem 4. Fall verletzungsbedingt verursacht und müssen umgehend versorgt werden.

Wenn aber nur noch sehr wenige Krankenhäuser diese Leistungsbereiche vorhalten, werden Wege länger und Wartezeiten auch. Das kann Leben gefährden. Dies trifft dann wieder jene Bürger*innen, die nicht in einer Großstadt leben.

Notfallversorgung muss für alle sichergestellt werden. Wenn aber die Operateure solche diffizilen Eingriffe nur im Notfall leisten dürfen, dann kann das nicht mit einer Qualitätsverbesserung einhergehen.

Konzentration/ Zentralisierung
Die “komplexen Leistungen” (medizinisch anspruchsvolle, technisch aufwendige, handwerklich schwierige Leistungen) werden in den Städten der Rheinschiene und des Ruhrgebiets konzentriert. Man könnte auch polemisch attestieren: Frühchen vom Land: In Gottes Hand! Schlaganfall auf dem Land, schwerer Unfall auf dem Land, Herzinfarkt auf dem Land….

Denn die Rettungsstrukturen wie auch die verbleibenden zentralen Notaufnahmen sind für die jetzt festgelegte Konzentration der Versorgung auf wenige maximalversorgende Krankenhäuser nicht vorbereitet. Es fehlt an technischen und personellen Ressourcen. Es wird tatsächlich darauf hinauslaufen, dass die Postleitzahl darüber entscheidet, ob eine Bürgerin dieses Bundeslandes eine gute, qualitativ hochwertige und schnelle Versorgung erhält.

Ambulantisierung
Ambulantisierung funktioniert nur, wenn es ambulante, bettenführende 24/7 – Einrichtungen gibt (Gesundheitszentren, Polikliniken). Leider ist auch bis heute hier nicht wirklich etwas umgesetzt. Zwar spricht auch das MAGS immer wieder von dieser notwendigen Versorgungsstruktur, jedoch ist noch keines in einer sog. 24/ 7 Struktur entstanden. Krankenhäuser gehen aber weiterhin in Insolvenzen oder schließen komplett.

Als Bündnis für ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitswesen unterstreichen wir unsere Forderungen zu der Krankenhausplanung in NRW.

Ein Krankenhausplan, der ökonomischen Kriterien priorisiert, wird eine gleichwertige, qualitativ hochwertige Versorgung für alle Bürgerinnen nicht gewährleisten können.  

 


Eine Stellungnahme von Susanne Quast (Fachärztin für Anästhesie und Intensivmedizin, seit 2000 im Betriebsrat bei den Sana Kliniken, Sprecherin im Bündnis für ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitswesen)