Aktuelle Bewertung der finalen Feststellungsbescheide nach Krankenhausplan NRW für das Versorgungsgebiet 1

von Susanne Quast (Sprecherin Bündnis für ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitswesen)

Mit dem Schreiben vom 31.10.2024 teilte das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS NRW) mit, dass

  1. Die Umsetzung des Krankehausplanes NRW nicht wie vorgesehen zum 01.01.2025, sondern erst zum 01.04.2025 umgesetzt werden wird.

Da die Reform mit großen Veränderungen der Versorgungsstruktur einhergehen wird, haben wir uns dazu entschieden, dass in Ergänzung zu den Übergangsfristen das In-Kraft-Treten der Bescheide auf den 01.04.2025 festgesetzt wird, um die Umstellung für die Krankenhäuser zu erleichtern.“

Durch dieses Schreiben wurde zum ersten Mal sichtbar, dass massive Fehler in der Krankenhausplanung erkannt wurden. Versorgungslücken, Missachtung der Bevölkerungsstruktur, Verschlechterung der Versorgungsqualität durch lange Wege, Verschlechterung der Ausbildungsqualität im ÄD, zunehmende Belastung des Personals in KH.

  1. Eine, bis dahin kategorisch ausgeschlossene, Übergangsfrist nun doch für bestimmte Leistungsgruppen von 12 Monaten gültig wird.

….„Damit während der Übergangsfrist des § 16 Abs. 3 Satz 1 KHGG NRW keine Versorgungsengpässe entstehen, sollen für ausgewählte Leistungen Übergangsregelungen geschaffen werden.“
…“Die Zuordnung dieser Leistungen zu ihrer jeweiligen speziellen Leistungsgruppe erfolgt zu diesem Zweck einheitlich zum 01.01.2026. In der so entstehenden Übergangszeit kann die betreffende Leistung auf Grundlage der Zuweisung der betreffenden allgemeinen Leistungsgruppe erbracht werden.“

Die folgenden speziellen Leistungsgruppen sind für die Übergangsregelung vorgesehen:

    • 8.1 EPU/Ablation
    • 8.2 Interventionelle Kardiologie
    • 8.3 Kardiale Devices
    • 12.1 Bauchaortenaneurysma
    • 12.2 Carotis operativ/interventionell
    • 14.1 Endoprothetik Hüfte
    • 14.2 Endoprothetik Knie
    • 14.5/25.2 Wirbelsäuleneingriffe
    • 16.1 Bariatrische Chirurgie
    • 26.2 Stroke Unit

Auch mit dieser zweiten Korrektur wird klar, dass die dort hinterlegten hochspeziellen und hochaufwendigen Leistungsgruppen nicht einfach „über Nacht“ verschwinden können, ohne dass es einerseits zu Versorgungsproblemen bei der Bevölkerung kommen würde, andererseits auch die betroffenen Krankenhäuser ohne eine Anpassungszeit keine Alternativen im Rahmen der Finanzierung sicherstellen können und somit im ungünstigsten Fall insolvent werden.

3. Bei diversen Aberkennungen von Leistungsgruppen über das MAGS, wurde nun eine Korrektur vorgenommen. Hierfür hat das MAGS drei unterschiedliche Begründungen angegeben:

1) Ein Haus bekommt eine aberkannte Leistungsgruppe mit einer entsprechenden Fallzahl neu zugewiesen, dafür wird diese Fallzahl einem anderen Haus aberkannt.

Beispiel: Haus Elbroich wird die IM wieder zugewiesen mit 100 Fällen. Augusta KH Düsseldorf werden diese 100 Fälle aberkannt. Somit kann aber Elbroich die geriatrischen Patient*innen weiter behandeln, was ohne diese Zuweisung nicht möglich gewesen wäre und zu einer Schließung einer rein geriatrischen Struktur geführt hätte.

2) Die Zuweisung einer bereits aberkannten Leistungsgruppe über den prognostizierten Bedarf hinaus.

Beispiel: Universitätsklinikum Düsseldorf (UKD) hat die bereits aberkannte Leistungsgruppe 14.4 Revision Knieendoprothese (und einige weitere aberkannte Leistungsgruppen) wieder zugewiesen bekommen. Bis dato hatte das MAGS immer argumentiert, dass die künftigen Bedarfe sicher berechnet wurden und kein zusätzlicher Bedarf notwendig sei.

3) Krankenhäuser erhalten aberkannte Leistungsgruppe zurück um die Versorgung sicherzustellen:

Beispiel:
St. Ansgar Krankenhaus Höxter erhält die LG 7.2 – Leukämie und Lymphome, zur Sicherstellung der Versorgung im ländlichen Raum unter Berücksichtigung der Erreichbarkeiten. Das ist eine Bankrotterklärung für die bisherige Planung!

Wieder zeigt sich, dass die Abkehr von den festgelegten Bescheiden nach den Krankenhauskonferenzen notwendig war, um einerseits nicht zu viele Krankenhäuser gleichzeitig vom Netz zu nehmen und dadurch Versorgungslücken entstehen, andererseits insbesondere die maximalversorgenden Häuser offensichtlich zu viel Druck auf das Ministerium ausgeübt haben mit Blick auf Forschung und Lehre und Ausbildungskapazitäten für Medizinstudenten und Weiterbildungsassistenten.

Sieht man nun auf die Landeshauptstadt, so haben die bereits im Vorfeld dargelegten Probleme weiterhin Bestand. Auch wenn an der ein oder anderen Stelle „nachkorrigiert“ wurde. Zwar ist die Versorgung in Ballungszentren und Großstädten immer noch die Beste, aber auch hier werden sich die Bürger auf längere Wege, längere Wartezeiten und ggf. mehr Verlegungen einstellen müssen. Auch die Notfallversorgung wird – obwohl nicht vergleichbar mit ländlichen Gebieten oder Flächenkreisen – sich verschlechtern und Risiken mit sich bringen. 

Was geschieht in den Krankenhäusern in Düsseldorf?

  • Einige werden durch die Aberkennung von Leistungsgruppen Abteilungen und Bereiche schließen müssen.
  • Einige werden ggf. ganz vom Netz gehen, da nicht mehr genügend Gelder für eine Kostendeckung über das DRG- System generiert werden können.
  • Kein Krankenhaus in Düsseldorf – nicht einmal die Uni Klinik oder das EvK- halten künftig alle Leistungsgruppen mehr vor.
  • Verlegungen der Patient*innen werden zunehmen – der Rettungsdienst ist dafür nicht ausgestattet.
  • Es wird Versorgungsengpässe bei bestimmten Leistungsgruppen und bei der Notfallversorgung geben, die zu Gefährdungen der Patient*innen führen können.
  • Viele Krankenhäuser werden für die Berufsausbildung in Medizin und Pflege unattraktiv, da Aus- und Weiterbildung deutlich eingeschränkt werden.
  • Auch in Düsseldorf gibt es bis heute keine Versorgungsoption außerhalb eines Krankenhauses an Sonn- und Feiertagen, an Samstagen, Mittwochs- und Freitagsnachmittags oder in der Nacht.

 Aberkannte Leistungsgruppen der Krankenhäuser in Düsseldorf:

Grafik der aberkannten Leistungsgruppen der Krankenhäuser in Düsseldorf

In der Gesamtschau wird die Krankenhausreform in NRW zu den bereits mehrfach kritisierten Problemen führen.

In der Altersmedizin:
In der Geriatrie (LG 27.1) sieht der Krankenhausplan eine Standortreduzierung von 33 Krankenhäusern vor. Das entspricht 18% der aktuellen Versorgungskapazitäten

Die durch den demografischen Wandel bedingte Zunahme alter, mulimorbider und chronisch erkrankter Patient*innen stellt die medizinische Versorgung im Krankenhaus der Zukunft vor erhebliche Herausforderungen.

Diesen wird der Krankenhausplan weder in den Städten, noch in den ländlichen Gebieten gerecht.

Die Multimorbidität älterer Menschen erfordert aus Sicht des Bündnisses eine sektoren- und professionsübergreifende Kooperation, die Prävention, Kuration, Palliation und Rehabilitation in einer patientenorientierten Versorgungslandschaft integriert.

Auch dies wurde im Krankenhausplan leider in keiner Form berücksichtigt.

Im Stadtgebiet Düsseldorf findet sich künftig nicht nur an wenigeren Standorten eine Versorgung für einen geriatrischen Patienten, eine altersmedizinische Gesamtstruktur finden wir künftig in Düsseldorf nicht mehr. So haben künftig einzelne Häuser entweder eine Geriatrie, eine Neurologie oder eine Stroke Unit- eine neurologische Frührehabilitation findet sich erst wieder in Solingen oder Wuppertal.

Zukunftsweisende Vernetzungen und Kooperationen um dem Fortschreitenden demographischen Wandel entgegenzutreten sind leider nicht zu erkennen.

Davon ausgehend, dass nicht nur die wohnortnahe Versorgung dieser Bevölkerungsgruppe künftig deutlich schwieriger wird, zeigen alle evidenzbasierten Erhebungen, dass gerade hier eine schnelle und umfassende Therapie das Outcome der Patient*innen deutlich begünstigt.

Eine Krankenhausplanung, welche diese prognostischen Gesichtspunkte außer Acht lässt, läuft sehenden Auges in eine Versorgungslücke und einer massiven Qualitätsverschlechterung von enormem Ausmaß.

In der Endoprothetik:

Die Leistungsgruppen 14.1 bis 14.5 beinhalten die endoprothetischen Versorgungsblock

Unter der Prämisse der Qualitätsverbesserung wurden hier die Versorgungskapazitäten zwischen 36% bis 61% reduziert.

In der Visceralmedizin:

Die Leistungsgruppen 16.2 bis 16.4 sind sehr große „bauchchirurgische“ Eingriffe- immer mit einer intensivmedizinischen Nachbetreuung vergesellschaftet.
Unter der bereits oben genannten Prämisse der Qualitätsverbesserung wurden hier die Versorgungskapazitäten zwischen 60 bis 68% reduziert.

In der Gynäkologie:

Tumorleiden der Eierstöcke werden in der Versorgungskapazität gar um 74% reduziert.

Das MAGS zentralisiert zahlreiche Leistungen mit der Begründung, sie seien im Wesentlichen planbar. Leider entspricht das nicht der Realität. In der Thoraxchirurgie ist ein erheblicher (mehr als 1/3) Anteil der Operationen durch Traumata (Verletzungen) verursacht, welcher einer sehr schnellen Versorgung bedürfen. Gleiches gilt für Bauchaortenaneurysmen. Hier geht es um Minuten, wenn das Ereignis plötzlich auftritt.

Endoprothesen an Hüften sind in jedem 4. Fall verletzungsbedingt verursacht und müssen umgehend versorgt werden. Wenn aber nur noch sehr wenige Krankenhäuser diese Leistungsbereiche vorhalten, werden Wege länger, Wartezeiten auch und können somit Leben gefährden. Dies trifft dann wieder die Bürger, welche nicht in einer Großstadt leben.

Notfallversorgung muss für jede*n Bürger*in dieses Landes sichergestellt werden. Wenn aber die Operateure solch diffizilen Eingriffe nur im Notfall leisten dürfen, dann kann dies nicht mit Qualitätsverbesserung einhergehen.

Konzentration/ Zentralisierung

Die “komplexen Leistungen” (medizinisch anspruchsvolle, technisch aufwendige, handwerklich schwierige Leistungen) werden in den Städten der Rheinschiene und des Ruhrgebiets konzentriert.

Man könnte auch polemisch attestieren: Frühchen vom Land: In Gottes Hand! Schlaganfall auf dem Land, schwerer Unfall auf dem Land, Herzinfarkt auf dem Land….

Denn auch die Rettungsstrukturen, wie auch die verbleibenden zentralen Notaufnahmen sind für die jetzt festgelegte Konzentration der Versorgung auf wenige maximalversorgende Krankenhäuser nicht vorbereitet. Es fehlt an technischen und personellen Ressourcen.

Es wird tatsächlich darauf hinauslaufen, dass die Postleitzahl entscheidet ob ein*e Bürger*in dieses Bundeslandes eine gute, qualitativ hochwertige und schnelle Versorgung erhält.

Ambulantisierung

Ambulantisierung funktioniert nur, wenn es ambulante, bettenführende 24/7 – Einrichtungen gibt (Gesundheitszentren, Polikliniken).

Leider ist auch bis heute hier nicht wirklich etwas umgesetzt. Zwar spricht auch das MAGS immer wieder von dieser notwendigen Versorgungsstruktur, jedoch ist noch keines in einer sog. 24/ 7 Struktur entstanden. Krankenhäuser gehen aber weiterhin in Insolvenzen oder schließen komplett.

Unsere Forderungen

Das Bündnis für ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitswesen unterstreicht seine Forderungen zur Krankenhausplanung in NRW. Ein Krankenhausplan, der ökonomischen Prioritäten den Vortritt lässt, wird einer gleichwertigen, qualitativen hochwertigen Versorgung für alle Bürger*innen nicht gerecht werden können.