Wenn die Tarifverhandlungen für den Öffentlichen Dienst beginnen, ist es wieder soweit. Sobald die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften bessere Arbeitsbedingungen, eine leistungsgerechte Bezahlung und einen Ausgleich für gestiegene Preise und Mieten fordern, werden sie als maß- und verantwortungslos beschimpft. Von ihrer Arbeit in Kitas, Krankenhäusern, Pflegeheimen, Schulen und Nahverkehrsbetrieben, um nur einige Bereiche zu nennen, hängt zwar das Funktionieren unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens und unserer Wirtschaft ab, Geld soll es aber möglichst wenig kosten.
Hauptargument der öffentlichen Arbeitgeber für ihr fehlendes Entgegenkommen sind ihre leeren Kassen. Dabei verschweigen sie eine der wesentlichen Ursachen für die zunehmende öffentliche Armut: den unaufhaltsam wachsenden privaten Reichtum an der Spitze der Gesellschaft. Laut der Entwicklungsorganisation Oxfam teilten sich in Deutschland 2024 130 Milliardäre ein Vermögen von 625 Mrd. US-Dollar. Davon stammten 71% aus Erbschaften, wurden also von den Besitzern nicht erarbeitet, sondern leistungslos erworben.
Das Geld für eine ausreichende Finanzierung öffentlicher Dienstleistungen ist also vorhanden. Was fehlt, ist eine Regierung, die den Mut hat, sich mit denen anzulegen, die von einem ungerechten Steuersystem unverhältnismäßig profitieren und gleichzeitig über zu hohe Löhne und Ansprüche der abhängig Beschäftigten klagen.
Es fehlt eine Regierung, die Steuerschlupflöcher schließt, die die 1997 ausgesetzte Vermögenssteuer wieder einführt und eine gerechte und wirksame Erbschaftssteuer durchsetzt. Es fehlt eine Regierung, die den jährlichen milliardenschweren Steuerraub über “Umsatzsteuerkarusselle” und “Cum-Ex”-Geschäfte endlich angeht und dafür die Steuerverwaltung kampfkräftig mit ausreichend Stellen ausstattet. Wir brauchen eine Regierung, die sich nicht von Demonstrationen von Wirtschaftsverbänden beeindrucken lässt, wenn sie mal wieder die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Standortes von zu hohen Steuern, Sozialabgaben und einem “unflexiblen” Arbeitsrecht “bedroht” sehen.
Was wir nicht brauchen, ist eine weitere Verarmung und Absenkung des Lebensstandards für immer mehr Menschen. Niedriglöhne und prekäre Beschäftigungsverhältnisse müssen zurückgedrängt, die Abnahme der Tarifbindung muss endlich gestoppt werden. Stattdessen muss die Attraktivität der Arbeitsplätze wieder gesteigert werden, um jungen Menschen das Signal zu geben, dass sich zu lernen und zu arbeiten lohnt und sogar Freude bereiten kann.
Wir müssen es schaffen, die weitere Umverteilung von unten nach oben zu beenden und den Staat mit den nötigen Haushaltsmitteln auszustatten. Wir dürfen nicht hilflos zusehen, wie immer weitere Bereiche unserer Daseinsvorsorge – wie jetzt schon das Wohnungswesen – von privaten Kapitalinteressen dominiert werden. Das Kliniksterben hat bereits begonnen. Vor allem auf dem Land und in jetzt schon unterversorgten Stadtteilen bedrohen die Krankenhausreform von NRW und Lauterbachs Krankenhaus-“Revolution” gut erreichbare Allgemeinkrankenhäuser und eine oft lebensrettende Notfallversorgung.
Der Verzicht auf ein angemessenes Gehalt und gute Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst mag die Haushalte kurzfristig entlasten, er wird uns langfristig aber teuer zu stehen kommen. Statt Verzicht zu predigen, ist es Zeit, die Stimme gegen die überbordende Ungleichheit zu erheben, deren Profiteure den notwendigen ökologischen und sozialen Umbau unserer Gesellschaft verhindern und die Zukunft aufs Spiel setzen.