Stellungnahme unserer Sprecherin Claudia Lenden zur Studie “Krankenhausplanung in Deutschland. Krankenhausgesetze und Krankenhauspläne der Bundesländer – Ein kritischer Überblick” von Thomas Böhm

Mein Name ist Claudia Lenden, und ich bin eine der Sprecherinnen der “Volksinitiative Gesunde Krankenhäuser in NRW-für alle“. Und wir meinen auch „für alle“ – egal ob wohlhabend oder nicht, ob im ländlichen Raum wohnend oder in der Stadt, ob alt oder jung.

 

Die gerade vorgestellte Studie zeigt aber, dass dies nicht mehr gewährleistet ist, und es ist wichtig, dass die Menschen dies wissen, um sich ihre Meinung zu bilden und gegebenenfalls Veränderungen zu fordern. Denn nur dann funktioniert Demokratie.

 

Denn wir brauchen tatsächlich dringend Krankenhausplanung, sonst sind wir im Hinblick auf die Anforderungen der nächsten Jahre, wenn die Babyboomer in Rente gehen bzw. pflegebedürftig werden, nicht gewappnet. Etwa 1/3 der Pflegekräfte werden in den nächsten 10 Jahren in Altersrente gehen und müssen, ebenso wie die zahlreichen Berufsaussteiger, ersetzt werden. Zudem werden in Deutschland in 20 Jahren 5 Millionen mehr Menschen über 67 Jahre leben, und je älter ein Mensch wird, desto größer das Risiko, krank oder pflegebedürftig zu werden.

 

Die bisherigen Maßnahmen haben dazu geführt, dass Krankenhäuser und damit die für jeden von uns so wichtige Gesundheitsfürsorge den Regeln des Marktes unterworfen ist – aber meine Gesundheit ist keine Ware und ich bin keine Autotür, mit der man Geld verdienen kann! Die Maßnahmen haben dazu geführt, dass immer mehr Beschäftigte im Gesundheitswesen resignieren und ihren Beruf verlassen oder, schlimmer noch, physisch oder psychisch krank werden.

 

Der immer größere Druck in den Krankenhäusern, finanzielle Gewinne zu erzielen und die Liegezeiten zu verkürzen, führt zudem zu einer nicht mehr zu tolerierenden Überlastung der ambulanten Einrichtungen und vor allem zu einer Überlastung der pflegenden Angehörigen, die ihre Lieben versorgen. Oft handelt es sich hierbei um hochaltrige Menschen, die eigentlich selbst Hilfe bräuchten, oder aber um Menschen, die ihre Lohnarbeit aufgeben, um pflegen zu können und sehenden Auges in die Altersarmut schlittern.

 

Wir als Volksinitiative „Gesunde Krankenhäuser in NRW für alle“ vereinen die unterschiedlichen Perspektiven als breites Bündnis aus Beschäftigten und denen, die versorgt werden müssen, und unsere Forderungen liegen klar auf der Hand:

  • Wir fordern ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitswesen, in denen nicht der finanzielle Gewinn, sondern die Förderung und Wiederherstellung von Gesundheit oder die Linderung von Leiden im Vordergrund stehen.
  • Wir fordern wohnortnah und bedarfsorientiert geplante Krankenhäuser, die patientenorientiert, barrierefrei und selbsthilfefreundlich sind.
  • Wir fordern die vollständige Refinanzierung der Investitionskosten der Krankenhäuser, so wie es das Gesetz vorsieht. Im Augenblick kommt das Land dieser Aufgabe nur unzureichend nach, und die Krankenhäuser stehen unter dem Druck, die notwendigen Investitionen anders zu finanzieren- mit der Gefahr, dass dadurch Personal eingespart werden muss oder bei der Therapieplanung
  • mehr Augenmerk auf gewinnbringende und/oder weniger aufwändigen Behandlungen zu richten.
  • Wir fordern gute Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten, damit der Berufsflucht Einhalt geboten wird. Viele Bereiche im Krankenhaus sind mittlerweile „outgesourct“, z. B. Wäscherei- und Reinigungsbetriebe oder Küchen. Häufig bedeutet dies weniger Lohn und fehlende Tarifverträge. Auch in der Pflege wurden seit Einführung der Diagnosefallpauschalen Stellen abgebaut. Zwar bemüht man sich inzwischen, wieder mehr Pflegekräfte einzustellen, aber der Schaden ist angerichtet: sehr viele Pflegekräfte wollen zu den aktuellen Arbeitsbedingungen nicht mehr in ihren Beruf zurück.
  • Und wir fordern die Abschaffung der Diagnosefallpauschalen, die dazu führen, dass es „lukrative“ und weniger lukrative Erkrankungen gibt. Der Druck, Gewinne zu erwirtschaften, führt dazu, dass bestimmte Abteilungen geschlossen werden. Besonders betroffen sind häufig Kinderkliniken und Geburtsstationen- ein Skandal!

Liliane Juchli, eine der großen Pflegepionierinnen im deutschsprachigen Raum sagte einmal auf einem Pflegekongress in Hamburg: „Die Gefahren, die uns heute umgeben, verstecken sich oftmals hinter gewichtigen Worten wie Effizienz, Wirtschaftlichkeit und Rationalisierung.“

 

Es kann nicht sein, dass im Gesundheitssystem Geld wichtiger ist als der hilfesuchende kranke Mensch.

 

Und daher werden wir weiter für gesunde Krankenhäuser und für ein soziales Gesundheitswesen kämpfen. Die Ergebnisse der Studie haben alle in der Volksinitiative noch einmal darin bestärkt.


Stellungnahme der Volksinitiative „Gesunde Krankenhäuser in NRW – für ALLE!“

Träger der Volksinitiative ist ein breites Bündnis verschiedener gesellschaftlicher Akteur*innen, die sich gemeinsam für ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitswesen einsetzen, darunter Organisationen von im Gesundheitswesen Beschäftigten, Angehörigen und Patient*innen sowie zahlreiche Initiativen, die sich an vielen Orten in NRW für gute Arbeitsbedingungen für alle und den Ausbau oder Erhalt ihrer Krankenhäuser oder „unrentabler“ Bereiche wie Geburts- oder Kinderstationen einsetzen. Für unsere Volksinitiative haben wir in ganz NRW bereits Zehntausende Gespräche geführt und Unterschriften gesammelt, in Kliniken wie auf Marktplätzen.

 

Eine wohnortnahe, selbsthilfefreundliche, zugängliche und barrierefreie, am Bedarf orientierte Gesundheitsversorgung steht im Zentrum unserer Forderungen.

 

Sie kann nicht dem freien Spiel der Marktkräfte überlassen werden. Planung braucht seriöse Daten über künftige Bedarfe. Das bisherige Finanzierungssystem über Fallpauschalen setzt jedoch seit vielen Jahren schon Fehlanreize für „lukrative“ Diagnosen und Behandlungen und führt zu entsprechenden Verzerrungen. Eine am Bedarf orientierte Planung braucht Kooperation statt Konkurrenz – zwischen ambulanter und stationärer Versorgung, zwischen unterschiedlichen Trägern. Der Zwang, Gewinne zu erwirtschaften, schließt eine solche Kooperation grundsätzlich aus. Bedarfsgerechte Planung umfasst auch Baumaßnahmen und technische Ausstattung –  sie muss finanziert sein. Stattdessen sehen wir, dass das Land NRW seit Jahren versäumt, seiner Verantwortung nachzukommen. So beläuft sich der Investitionsstau bei Krankenhäusern derweil auf 13,8 Mrd.. Bedarfsgerechte Planung muss sich auch auf das Personal beziehen. Seit Jahren schon kämpfen die Beschäftigten für eine gesetzliche Personalbemessung. Es braucht Verfahren, an denen alle relevanten Akteur*innen und Betroffen mit ihren verschiedenen Expertisen beteiligt sind und Einfluss nehmen können. Hier sehen wir derzeit jedoch ein großes Demokratiedefizit.

 

Demokratische Einflussnahme braucht Transparenz und Wissen: Der Landeskrankenhausplan NRW orientiert sich an den Ergebnissen des Gutachtens zur Analyse der Krankenhauslandschaft in Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2019. Dieses Gutachten – inspiriert von der sogenannten Bertelsmann-Studie – empfiehlt Klinikschließungen, Zentralisierung und Ambulantisierung. Viele Bürger*innen, darunter auch Beschäftigte im Gesundheitswesen selbst, wissen nicht, was die Pläne der Landesregierung tatsächlich für sie vor Ort unmittelbar bedeuten, geschweige denn, wie und an welchen Stellen sie Einfluss nehmen können. Sie sind zugleich verunsichert und empört über „Abwrackprämien“ für Betten und die Schließung von Kliniken und Abteilungen. Angehörige und Patient*innen sehen sich mit immer weiteren Wegen zum nächsten Krankenhaus, Krankenhausbeschäftigte mit dem Verlust ihrer Arbeitsplätze und stetig sich verschlechternden Arbeitsbedingungen konfrontiert.

 

Die hier vorgelegte Studie „Krankenhausplanung in Deutschland“ sowie die Publikation „Kein Bett zu viel“ erklären Hintergründe und Geschichte der Krankenhausplanung in der BRD und in NRW, erläutern ihre Widersprüchlichkeit und Problematiken, legen die Interessen der beteiligten Akteure dar und skizzieren mutmaßliche künftige Entwicklungen. Damit sind sie von unschätzbarem Wert für jegliche Bemühungen um Verstehen und demokratische Einflussnahme. Weitere Übersetzungsarbeit ist nötig. Medien und Bildungsträger sind jetzt gefordert, umfassend zu informieren, über Ziele und Interessen der beteiligten Akteure aufzuklären und eine breite gesellschaftliche Debatte anzustoßen und zu begleiten – wir als Volksinitiative leisten dazu unseren Beitrag.